Stefans Weltrekord – ein Interview mit dem zweifachen Guinnessweltrekordhalter

Stefan – zunächst einmal: GLÜCKWUNSCH! Du hast es geschafft und wir sind stolz auf dich. Was hast du nach Ablauf der 24 Stunden oder 1‘440 Minuten gefühlt? Also sozusagen in der 1‘441. Minute?

Es war die pure Erleichterung. Zu wissen, dass ich nichts mehr tun muss und es nichts mehr zu erreichen gibt, war ein himmlisches Gefühl. Ich war 24 Stunden sehr eng getaktet und ein Auge war immer auf die Zeit gerichtet. Es war permanenter Druck da und der fiel von der einen auf die andere Sekunde ganz von mir ab.

 

Hast du dir diese 24 Stunden alles in allem so vorgestellt?

Wir alle wünschen uns den perfekten Tag, und dass alles so abläuft, wie wir es uns vorstellen. Ich bin ein Mensch, der fest an die optimale Vorbereitung glaubt und auch weiss, dass sie ausschlaggebend ist, wenn zum Zeitpunkt X die ganze Leistung abgerufen werden muss. So war es auch bei meinem 24 Stunden Weltrekordversuch.

 

Das heisst, deine Vorbereitung war optimal?

Ich würde behaupten, dass ich alles berücksichtigt habe, was es zu berücksichtigen gab.

9 Monate strikte Vorbereitung auf das eine Ziel. Ich bin mit Experten aus diversen Branchen zusammengesessen, habe mein Vorhaben abgeklärt, analysiert und Strategien adaptiert.

Meine Strategie stand am Ende bis ins letzte Detail.

 

Hattest du gar keine Sorgen, dass etwas schief gehen könnte?

Natürlich hatte ich grossen Respekt von diesen 24 Stunden. Man muss in dieser langen Zeit permanent Körper und Geist im Einklang halten, mit einem vorgegebenen Tempo und einem Gewicht, welches nicht gerade „easy“ zu bewältigen ist. War es nun Kraft, war es Ausdauer oder beides? Das Allerwichtigste, das habe ich festgestellt, war die innere Einstellung.

 

Wie hast du die Stunden vor dem Weltrekordversuch verbracht?

Ich wollte einen Tag vor dem Rekord alleine in einem nahegelegenen Hotel verbringen, damit ich mich im Schlaf vollkommen erholen kann. Das war meine Strategie, allerdings hatte ich nicht mit äusseren Einflüssen gerechnet: Um 4 Uhr in der Nacht läutete die Kirchenglocke, ab 6 Uhr dann im Viertelstunden Takt. Mein Wecker, der auf 7 Uhr gestellt war, musste mich also nicht wecken.

Was hast du in diesem Moment gedacht?
In solchen Momenten hat man mehrere Möglichkeiten. Entweder ich nerve mich total darüber oder ich nehme diese äusseren Umstände, die ich nicht ändern kann, einfach an und leiste keinen mentalen Widerstand dagegen. Weil ich weiss, wieviel Energie „genervt sein“ kostet, habe ich mich für die zweite Option entschieden.

Wie ging es dann am nächsten Morgen weiter?

Mit leichtem Druck im Kopf war ich pünktlich um 8 Uhr im Gebäude, in dem der Weltrekord stattfand, zum Briefing aller beteiligten Leute. Dies waren die technischen Leiter des Livestreams und des Beweisvideos für Guinness und deren strikten Richtlinien, Richter, Physiotherapeut und Fotograf.

Um 8:45 Uhr habe ich mich zurückgezogen und meinen Körper und Geist für das bevorstehende Unbekannte eingestimmt.

 

Und dann ging es los – erzähl uns von den „Spannungsphasen“. Was hat es dafür gebraucht?

Ich hatte 12 Runden über 3 Phasen geplant. Es ist absolute Voraussetzung, dass man einen starken und gut trainierten Körper besitzt. Und dies wiederum gibt einem auch das nötige Vertrauen, um mit diesen Widerständen gut umgehen zu können. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Geist oder unser “mentaler Apparat” stark bleibt.

 

Kettlebell Swing ist nicht mit Zenmove zu vergleichen. Was ist das Besondere an dieser Disziplin?

Beim Kettlebell Swing machen die Hände – neben der Muskulatur – einen essentiellen Faktor aus. Wer zu schnell Blasen an den Händen bekommt, der wird Schwierigkeiten haben, eine 32kg, 28kg oder 24kg Kugel halten und schwingen zu können. Dies ist der einzige Faktor, den man nicht trainieren kann. Hier heisst es nur „Glück oder Unglück“.

 

Und wie war es dann bei dir? Haben deine Hände „gehalten“?

In meinen ganzen Trainingsphasen vor dem Rekord (in den 9 Monaten waren es über 200 Swing Einheiten) hielten meine Hände sehr gut durch. Am Rekord-Tag, und zwar gleich in der 1. Runde, bildete der kleine Finger meiner rechten Hand die erste Blase. Man könnte zwar meinen, dass dies keine grossen Auswirkungen auf die restliche Hand hat, aber dem ist leider nicht so. Hätte man mir das vorhergesagt, dass dies passieren würde, der Rekord wäre im Eimer gewesen. Da ich jetzt aber ein grösseres Team involviert habe, in dem alle viel an diesem Event gearbeitet haben, wusste ich, dass ich diesen Umstand radikal zu akzeptieren habe.

 

Wie hast du das gemacht – radikal akzeptiert?

Wenn der Körper immer mehr in den Widerstand geht, dann muss der Kopf übernehmen. In meinem Fall musste dies schon sehr früh passieren. Trotzdem war es ein auf und ab und ein mühsames „Durchschleppen“ von Runde zu Runde. Nach jeder Runde ging ich, ohne ein Wort zu sagen und voller Schmerz, in die Pause. Die Dusche, aber ohne die Hände nass zu machen, war mein Lebensspender und das kalte Wasser hielt meinen Geist im Hier und Jetzt. Von 18 Uhr bis 00.30 Uhr war mein Sport-Physiotherapeut vor Ort und lockerte meine verspannten Muskeln im oberen und unteren Rücken, tapte meine schon sehr lädierten Hände und aktivierte über meine Füsse den ganzen Körper.

Wenn ihr euch vorstellen wollt, wie gross der Schmerz war: Meine Freundin musste mir ab Runde 7 (von 12) jedes Mal aus der Massageliege aufhelfen.

 

Ab wann wusstest du, dass du den Rekord schaffen könntest?

Um 04:00 Uhr in der Nacht – also 5 Stunden vor Ende – begann das grosse Rechnen. Die diversen Strategiewechsel, die ich wegen meinen Händen habe vornehmen müssen, haben den ganzen Plan durcheinandergebracht. Wir mussten also schnell handeln, d.h. die Pausen wurden kürzer und die Kadenz (Schwünge pro Minute) musste nochmals gesteigert werden. Man kann sich das vorstellen wie das Rennen eines Ultra- Marathons durch die Wüste. In den letzten 10% musste nochmals das Tempo stetig angezogen werden. Dann kam die Hiobsbotschaft: Als das Tageslicht wieder da war und der Morgen endlich gekommen, wurde ich informiert, dass ich NOCHMALS eine Steigerung machen müsse. Ich erhielt 2 Optionen, für die ich mich innert 5 Minuten entscheiden musste, weil mir die Zeit wegrannte. Ich entschied mich für 5 Minuten High Performance und 5 Minuten Pause für die letzten 45 Minuten. Die Rechnung ging auf.

 

Wieviel kg waren es zum Schluss?

Ich habe den alten Rekord laut unserer Rechnung 8 Minuten vor Schluss gebrochen und bin schlussendlich 3800kg darüber hinaus gegangen: 258’134 kg in 24 Stunden.

 

In einem Satz: Was nimmst du aus dieser Erfahrung mit?
Akzeptanz in ihrer reinsten Form: Ich weiss jetzt, was es bedeutet, den jetzigen Moment radikal zu akzeptieren.

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